Dokumentationsstätte Regierungsbunker Bad Neuenahr
Das war wirklich mal eine Führung der ganz besonderen Art, die meine Gefühlswelt ganz schön ins Rotieren gebracht hat. Gruselfaktor, Schaudern, Mitleid und Fassungslosigkeit, alles vermischte sich hier mit dem Erstaunen über die schier grenzenlose menschliche Dummheit.
Tatsächlich habe ich mich während der gesamten Führung durch diesen Regierungsbunker permanent gefragt, was denn hier nun eigentlich dokumentiert wird … und wirklich klar ist es mir bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geworden.
Ist es das Können der Architekten, eine solche unterirdische Stätte zu planen und zu erbauen? … Die Möglichkeiten der Macht, eine Planungs- und Baumaßnahme solchen Ausmaßes über Jahre hinweg (mehr oder weniger) geheim zu halten? … Die Rücksichtslosigkeit derer, die hier ihre eigene „Rettung“ minutiös geplant haben, bei gleichzeitigem Wissen, dass selbst jene, die an der Erschaffung dieses Werkes mitgewirkt haben haben dem sicheren Tod geweiht wären? … Oder etwa doch die Dummheit der Menschen sich gegenseitig mit dem atomaren Overkill zu drohen und sich dabei gleichermaßen der Hoffnung hinzugeben selbst mit heiler Haut davon zu kommen?!
3000 Menschen hätten hier – theoretisch – 30 Tage lang ohne Kontakt zur Außenwelt überleben können und sollen.
Menschen wie DU und ICH wären nicht unter diesen 3000 Menschen gewesen. Niemand den ich liebe und wertschätze wäre würdig befunden worden, hier im Ernstfall Schutz zu finden. Nicht einmal jemand den ich kenne hätte diese Chance bekommen und ich gehe davon aus, dass es sich bei DIR und DEN MENSCHEN, DIE DU LIEBST, nicht anders verhält. WIR wären im Ernstfall gleich tot gewesen oder aber wären jämmerlich – ich kenne es nur aus entsprechenden Abschreckungsfilmen aus meiner Schulzeit – gestorben. Das hinterlässt schon ein merkwürdiges Gefühl, oder?!
Wem vertrauen wir und warum? Wie schaffen wir Menschen es immer wieder, derartig zu entgleisen, dass ein solcher Wahnsinn möglich ist, ja sogar von unseren vermeintlich klügsten Köpfen konstruiert und initiiert wird? Doch wenn wir beginnen, uns darüber zu wundern, müssen wir auch die Frage zulassen, wie es in unserer eigenen – „kleinen Lebenswelt“ aussieht … in unseren Arbeitsverhältnissen, unseren Freundeskreisen und unseren Familien … ist es dort tatsächlich anders? Besser?
Wie leben wir? Befinden wir uns hier und da im Kalten Krieg, überleben an der einen oder anderen Stelle durch Machtdemonstration und Bedrohung anderer – vielleicht auch nur ganz subtil? Leben wir solidarisch und sind eine Stütze für andere Menschen oder haben wir uns unsere eigenen Bunker gebaut, kleine Machtzentralen, die wir der Geheimhaltung unterworfen haben, mit der wir unsere eigene kleine Macht sichern und verteidigen und dabei seelenruhig zusehen, wie die „Nichtwissenden“ chancenlos bleiben?
Eine Führung durch diesen „Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes“ ist so interessant wie brisant, wenn man sich darauf einlässt, sich den Fragen zu stellen, die bei einem solchen Besuch unweigerlich aufkommen.
Nach dem Betreten des Bunkers wurde uns zuerst die Schließung eines der MAN-Rolltore, aus 25 Tonnen Stahl und Beton demonstriert. Eine ohrenbetäubende Sirene heulte auf, zusätzlich ein warnendes Blinklicht und in kürzester Zeit schließt sich das Tor. Wer hier zwischen Tor und Wand gerät wird unweigerlich zermahlen. Das Tor ist geschlossen und wir stehen vor einer dicken Betonwand. – Ein bedrückendes Gefühl, auch ohne atomare Bedrohung. Ich frage mich, welche Seite dieser Mauer in einem Ernstfall tatsächlich das erträglichere Schicksal gewesen wäre. Was für ein Geniestreich, sich hier in diesen Räumen das eigene Überleben zu sichern – wie lange … und für welchen Preis? Sind unsere schlauen Köpfe vielleicht doch nicht einmal halb so schlau wie sie meinen, und wie wir meinen?
Wir gehen weiter in den Bunker hinein, sehen Kommandozentralen, Schreibstuben, Schlafräume, Küchen, Sanitätsräume … alles, was man eben so zum Überleben braucht … und noch ein wenig mehr … oder hättet Ihr einen voll eingerichteten Frisörsalon in einem solchen Bunker erwartet? Immerhin ein Raum, indem man möglicherweise noch zwei, vielleicht sogar vier Menschen hätte unterbringen und damit retten können.
Irgendwie wirkt all das hier wie in einem schlechten Film – vor allem vor dem Hintergrund der Erläuterungen, wie oft die einzelnen Länder hätten die Erde zerstören können. Als ob ein einziges Mal nicht schon endgültig und ausreichend genug wäre.
Ich für meinen Teil sehe in all dem nur den Wahnsinn, der mich aus allen Ecken und Winkeln angrinst. Das bedrückende Gefühl, das mich ganz zu Anfang begleitet hat, wird zwar im Laufe der Führung ein wenig abgemildert, aber irgendwie bleibt es doch und ich spüre instinktiv, dass ich es wieder abstreifen möchte. Es ist interessant, es ist spannend, es ist erschreckend und es ist zutiefst beeindruckend, doch hinterher habe ich das Gefühl, dass ich all dieses Negative wieder loswerden möchte. Und so bin ich froh, dass ich mich bereits vor meinem Besuch im ehemaligen Regierungsbunker dazu entschieden habe, danach noch eine Wanderung zu unternehmen. Die Natur um mich herum hilft mir, all diese Eindrücke sacken zu lassen und zu verarbeiten.
Ich liebe die Natur und ich liebe das Leben, aber diese Führung hat mir gezeigt, dass Leben und Überleben nicht unter allen Umständen das erstrebenswerteste Ziel ist. Das wir Menschen diese Umstände provozieren können ist keine schöne Erkenntnis, aber eine realistische.
Ich möchte Euch dennoch meine Empfehlung aussprechen, Euch diesen Regierungsbunker einmal anzusehen und das nicht nur, weil die Menschen des „Heimatvereins Alt Ahrweiler“ hier mit soviel Herzblut und ehrenamtlicher Eigeninitiative dies ermöglichen. Der Besuch dieser Stätte macht nachdenklich und das ist gut so. Es ist interessant sich dies alles anzusehen und mindestens ebenso interessant, den eigenen aufsteigenden Gefühlen, Fragen und Antworten nachzuspüren.
Mein ganz persönlicher Tipp: Plant Euch nach dem Besuch etwas ruhiges, vielleicht sogar beruhigendes sein … eine Wanderung auf dem Ahrsteig … ein Spaziergang auf dem Rotweinwanderweg … oder einfach nur ein Gläschen Wein bei einem der naheliegenden Winzer …
Ich wünsche euch viel Spaß beim Entdecken!
Ich selbst wurde von RLP-Tourismus zu diesem spannenden und beeindruckenden Besuch des ehemaligen Regierungsbunkers eingeladen, weiterführende Informationen findet Ihr aber auch bei Ahrtal-Tourismus.
Meine Tipps für Ahrweiler und Umgebung findet Ihr hier:
Wow, das ist wirklich sehr beeindruckend. Danke für den ausführlichen Bericht. Und vor allem für die Bilder!