Pilgern durch das Mostviertel – von Klein-Mariazell nach Stift Lilienfeld
Obwohl wir Mädels uns heute 10 km mit dem Pilgertaxi gegönnt haben, sind wir fantastische 20 km gepilgert. Hubert ist sogar die komplette Strecke durchgewandert und hat heroische 30 km geschafft. Unterwegs haben wir wieder viel erlebt, vor allem miteinander. Wir haben gelacht, um unsere eigenen Grenzen zu überwinden, haben gesungen und gefeiert, haben ernste Gespräche geführt und uns gegenseitig geholfen. Das gemeinsame Pilgern verändert uns und unsere Beziehung zueinander. Gemeinsam feiern wir hier auf dieser ganz besonderen Reise tatsächlich das Leben, mit all seinen Facetten.
Ja wirklich, auf dem Pilgerweg scheinen sich alle Facetten des Lebens zu offenbaren. Wir haben viel Freude, erleben Schönes, und genießen den Augenblick. Doch wir kommen auch immer wieder an unsere Grenzen, haben zum Teil Schmerzen und denken mitunter, dass es einfach nicht mehr weiter geht. Tag für Tag lernen wir, wie es möglich ist, diese Situationen jeder für sich, aber auch gemeinsam zu meistern.
Wenn der Einzelne es nicht mehr schafft, springen die Weggefährten wie selbstverständlich ein und motivieren, machen Mut oder lenken ab. Eine wundervolle Erfahrung, die wir hier machen dürften. Wir tragen uns gemeinsam durch schwierige Situationen und Stunden und lachen und feiern ebenso gemeinsam über all das Schöne und das Erreichte.
Mir wird bewusst, dass man solche Weggefährten auch im täglichen Leben braucht. Der Pilgerweg scheint eine exakte Abbildung des Lebens zu sein. Denn wer auch im Alltag Gefährten mit diesen Qualitäten an seiner Seite weiß, der braucht sich nicht wirklich Sorgen zu machen. So einfach und elementar kann diese Erfahrung sein und doch lässt sie sich sogar über sozialwissenschaftliche Studien belegen. Nur ist dann nicht die Rede von Gefährten oder Freunden, sondern von „Sozialem Kapital“. Da denken wir immer, die Wissenschaften hätten uns so viel neues Wissen generiert und in Wirklichkeit ist alles Wissen schon längst auf dieser Welt vorhanden. Vielleicht unter einem anderen Namen, vielleicht nicht so schön ausgedrückt, aber doch ist und war es schon immer da. Das Leben ist eben wohl doch ein ewiger Kreislauf.
Der Pilgerweg Via Sacra ist ein landschaftlich wirklich herrlicher Weg, der einem das Herz aufgehen lässt, mit seiner ursprünglichen Schönheit, seiner Authentizität und seinen überwiegend naturbelassenen Pfaden. Über Wiesen und Berge wird man geführt (obwohl sich alle Österreicher anscheinend einig darin zu sein scheinen, dass diese Berge hier nur Hügel sind), durch dicht bewachsene Wälder und vorbei an mystischen Plätzen.
Unser erstes Teilstück – der Aufstieg zur Araburg – bringt uns gleich wieder ordentlich zum Keuchen. Doch oben angekommen ist alle Anstrengung vergessen und wir genießen die herrliche Aussicht. Danach bleibt der Weg lange Zeit auf dieser höheren Ebene, führt und über Bergkämme und Wiesen, vorbei an herrlichen Waldgebieten und abgelegenen Bauernhöfen. Hin und wieder müssen wir Zäune überwinden und Gatter öffnen, um unseren Weg fortzusetzen zu können. Wir sind mitten drin, in unserem großen Abenteuer, jeder für sich und alle doch auf eine fast unbeschreibliche Art und Weise miteinander verbunden.
Irgendwann kommen wir in einen Ort, an dem sich unsere Wege für kurze Zeit trennen. Während Tanja, Elena, Oli und ich erst einmal die nächste Apotheke ansteuern, um unsere Blasen und Beine medizinisch zu versorgen, wandert Hubert gleich weiter, unserem nächsten Ziel entgegen. RESPEKT Hubert!
Nach dem Apothekenbesuch geht es dann auch gleich in die nächste Eisdiele und anschließend zum dorfeigenen Kneippbecken. … Schuhe und Socken sind schnell von den Füßen und rein geht`s ins kühle Nass. Beim Pilgern ist eben nichts alltäglich und wir genießen den Moment, so wie er sich uns gerade darstellt. Das nenn ich mal Entschleunigung! Und um dem Ganzen noch ein Krönchen aufzusetzen, haben wir uns unser Pilgertaxi an dieser Stelle direkt zum Kneippbecken bestellt, um uns von hier aus gleich zum Mittagessen fahren zu lassen. Das genießen wir dann auch prompt in Wiesenfeld, im Gasthof Löffler. Das Essen ist herrlich und um die Pilgermoral wieder ein wenig zu heben, wird uns im Anschluss vom Wirt noch ein ganz besonderes Schnäpschen, der Dirndlschnaps serviert. Dann noch ein Gläschen Sekt und wir trauen uns den Rest der Etappe wieder zu. 😉 Wenn das nicht mal Genusswandern ist?!
Allerdings wählen wir für das letzte Stück der Etappe die Radvariante des Via Sacra. Das bedeutet, weniger Steigungen und immer schön am Fluss entlang. Das gefällt uns und unseren müden Füßen.
Irgendwann kommen wir in Lilienfeld an. Auch wieder ein ganz besonderes Erlebnis, denn schließlich übernachten wir in einem Kloster. Mal sehen, was uns dort so erwartet. Aber erst – und da sind sich wieder mal alle einig, werden wir gemütlich essen gehen, und zwar im Kellerstübel, welches direkt dem Kloster angeschlossen ist. Hier lassen wir den Abend bei Wein, Essen und tollen Gesprächen gemütlich ausklingen … wir freuen uns auf unser Bett und auf den nächsten Pilgertag voller neuer Abenteuer und Überraschungen … das Leben kann so wundervoll sein, wenn man sich nur die Zeit dazu nimmt!
Ganz gleich, wie beschwerlich das Gestern war,
stets kannst Du im Heute von neuem beginnen.
Was immer du tun kannst oder erträumst zu können, beginne es.
Kühnheit besitzt Genie, Macht und magische Kraft!
Beginne es jetzt!
(Johann Wolfgang von Goethe)
Habt Ihr Lust auf weitere Abenteuer? Dann schaut doch mal hier rein:
Pilgern im Mostviertel – von Hinterbrühl nach Klein-Mariazell
Pilgerbegleitung, Spiritualität und was genau ist eigentlich mein Thema, für diese Pilgerreise auf dem Via Sacra?
Pilgern im Mostviertel – ich bin dann mal weg …
#hach – ich bin ja auch ein wenig stolz auf mich 🙂
Aber auch auf euch – den verpasst habt ihr auf meiner Zwischenetappe nur einen netten Blick durch das Tal, dafür 10 km Asphaltstrecke… da habe ich euch doch sehr um das Kneipen beneidet… ich würde sagen: Ihr habt alles richtig gemacht!
Und ja, Gefährten im Alltag, die sind wichtig!
… das kannst Du auch sein! 🙂
Liebe Monika, es ist wirklich interessant, die einzelnen Etappen noch einmal bei dir zu lesen und alles noch einmal (nach)zuerleben. 🙂 Ich muß dabei oft schmunzeln, denn es war schon wirklich ein Erlebnis.
Ich hab übrigens hier einmal unsere Nacht im Kloster Revue passieren lassen… 🙂 http://wellness-bummler.de/urlaub-im-kloster/
Hallo Tanja, werde gleich mal in Deine Bericht reinschauen 🙂 freue mich schon auf weitere #Bloggerpilgern Reisen!
Wie ich das nachempfinden kann…. obwohl ich meist alleine wandere und auch schon alleine gepilgert bin, auf dem fränkischen Jakobsweg. Gemeinsam ist es manchmal aber deutlich leichter. Und auch gemeinsam geht das Sortieren der Gedankenwelt, für das ich meist überhaupt aufbreche.
Und: Kneippen beim Wandern tut so gut!
Das tolle in dieser Gruppe war, dass es immer so war, wie man es gerade brauchte. Mal konnte man ein Stück gemeinsam gehen, es war aber auch immer ok mal ein Stück alleine zu gehen. Es hat einfach alles gepasst und das war wirklich klasse!